Ich kann nicht wirklich glauben, dass es schon mehr als drei Monate her ist, dass ich Deutschland verlassen habe. Die Zeit vergeht im Moment wie im Flug und jetzt steht schon Weihnachten vor der Tür. Wie dem auch sei, hier findet ihr meinen 1. Quartalsbericht über meine Arbeit und meinen Alltag hier in Peru. Einiges dürfte euch aus früheren Posts bekannt vorkommen und auch das ein oder andere Bild habe ich bereits hier gepostet, aber ich hoffe, dass euch der Bericht trotzdem nochmal einen besseren Eindruck von dem Leben hier in Peru gibt!
Svenja Hansen
Welthaus Bielefeld
Weltwärts-Jahrgang 2014/15
Club Zeus Olympic, Peru 16.11.2014
1.
Quartalsbericht
Nun ist es also schon Zeit für den 1. Quartalsbericht. Nachdem ich
während der ersten Wochen einige Schwierigkeiten hatte, mich einzuleben, was
unter anderem daran lag, dass es mit meiner damaligen Gastfamilie nicht ganz
rund lief, vergeht die Zeit mittlerweile wie im Flug. Insgesamt macht mir meine
Arbeit sehr viel Spaß und die Kinder sind super lieb und besonders in den
Schulen werde ich stets mit Umarmungen und Küsschen von allen Seiten begrüßt
und verabschiedet. Da ich nicht nur Turn-, sondern auch Englischunterricht gebe
und meine Erfahrungen und Eindrücke sich teilweise doch sehr unterscheiden,
werde ich im Folgenden einzeln auf meine verschiedenen Einsatzbereiche
eingehen.
Die Kinder, sowohl in er Schule, als auch im Turnclub, sind mir
bereits sehr ans Herz gewachsen!
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Die Geschichte des Club Zeus Olympic und Allgemeines zum Turnunterricht
Meine Hauptaufgabe während des
weltwärts-Freiwilligendienstes in Peru ist die Mitarbeit im Club Zeus Olympic. Im Jahr 2010 stellte
meine Gastmutter einen Turntrainer aus Lima ein, damit er ihren Kindern im
Garten ihres Hauses Turnunterricht gibt. Sie kaufte nach und nach mehr Turngeräte
und es kamen auch immer mehr andere Kinder, da es weit und breit die einzige
Möglichkeit war, zu turnen.
Zwei Jahre später stellte die Stadtverwaltung dem Club einen Pavillon
an der Strandpromenade in Los Órganos zur Verfügung. Dieser wurde renoviert und
trägt heute den Namen
Centro deportivo
cultural. Abgesehen von Turnunterricht beinhaltete das Angebot des Clubs
auch Ballett- und Marineraunterricht (Marinera ist ein für den Norden Perus
typischer Paartanz). Finanziell gesehen war der Club abhängig von seiner
Gründerin, die die Trainer bezahlte und auch die Monatsbeiträge für Kinder aus
ärmeren Familien übernahm.
Da dies natürlich eine große finanzielle, aber auch zeitliche
Belastung für sie darstellte und ihre Kinder mittlerweile den Spaß am Turnen
verloren hatten, übergab sie den Club zum vergangenen Jahreswechsel an den
Turntrainer Miguel, also an meinen Chef. Für ihn war die Situation zunächst
sehr schwierig, da sein sicheres Gehalt wegfiel und er sich anderweitig Arbeit
suchen musste, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern. Daher war es
unumgänglich, die Gratisturnstunden, besonders die in den staatlichen Schulen,
deutlich zu reduzieren.
Die Räumlichkeiten in Mancora
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Anfangs brachten diese Umstellungen den Club in erhebliche
finanzielle Schwierigkeiten. Vor einigen Monaten bekam Miguel jedoch zunächst
kostenlos, seit September müssen wir monatlich eine Miete von 250 Soles (ca.68
Euro) bezahlen, einen Raum im zweiten Stock einer Hotelanlage im Nachbarort
Mancora zur Verfügung gestellt. Die Einnahmen durch die zusätzlichen
Turnstunden helfen heute, den Club zu erhalten und sogar einige neue Turngeräte
oder Matten zu kaufen.
Der Außenbereich des Pavillons in Órganos
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Vor dem Turnunterricht treffen wir uns stets etwa eine halbe Stunde
vorher, um zu fegen und die Geräte aufzubauen. Danach erwärmen sich die Kinder
(Laufen, Hüpfen etc.), es wird sich gedehnt und manchmal machen wir auch einige
Kraftübungen. Um das Erwärmungsprogramm unterhaltsam zu gestalten, bauen wir
häufig kleine Spiele, Wettrennen oder ähnliches ein. Außerdem habe ich aus
Deutschland einen großen Schaumstoffwürfel mitgebracht, der bei den Kindern
super angekommen ist und mit dem wir häufig die Anzahl von Liegestützen, Sit-Ups
usw. bestimmen. Dann machen diese „lästigen“ Übungen den Kindern gleich viel
mehr Spaß! Im Anschluss daran geht es an die Geräte. Abhängig von der
jeweiligen Turnhalle in Órganos bzw. in Mancora stehen uns unter anderem ein
Balken, ein Stufenbarren (den wir noch aufbauen müssen), ein Trampolin, Ringe,
Sprungbretter, Bänke, verschiedene Matten, sowie einige improvisierte
Hilfsmittel wie beispielsweise angemalte Autoreifen oder alte Schiffstaue zur
Verfügung.
Normalerweise gestalten Miguel
und ich den Unterricht gemeinsam: Manchmal teilen wir die Kinder in zwei
Gruppen auf, an anderen Tagen bauen wir eine Art Zirkel auf, in dem die Kinder
an verschiedenen Stationen Übungen für ein bestimmtes Element trainieren und
wir beide jeweils einen Teil kontrollieren. Besonders bei den Kleinkindern
hilft auch die Frau von Miguel häufig mit. Außerdem übernimmt sie die Buchführung
des Clubs, wobei ich sie bei Bedarf unterstütze.
Von Beginn an konnte ich dank meiner
Vorkenntnisse (in Deutschland habe ich neun Jahre geturnt und auch selbst
Unterricht gegeben) gleich Verantwortung übernehmen. So gestalte ich mal
größere, mal kleinere Teile der Turnstunde eigenständig. Des Weiteren gebe ich
die Stunde am Samstag komplett alleine (meistens ist die Frau des Turntrainers
jedoch in der Nähe). Am Anfang war das nicht immer leicht, weil ich die Namen
der ganzen Elemente und Haltungskorrekturen nicht kannte. Außerdem fiel mir
besonders das Erklären von Spielen oder bestimmten Übungen schwer, was hin und
wieder für etwas Verwirrung bei den Kindern sorgte. Mittlerweile ist es
allerdings bereits viel besser geworden und ich habe den Kindern schon viele
Übungen und Spiele beigebracht, die ich von meinem eigenen Training in Deutschland
kenne.

An einigen Tagen, so war Miguel beispielsweise eine Woche lang krank,
bin ich nur mit Kati in der Halle und gebe den Unterricht komplett alleine. Mir
gefällt es, die Stunde selbstständig zu planen und so zu gestalten, wie ich
möchte. Aber wenn Miguel nicht da ist, sind die Kinder noch lebhafter als sonst
und besonders wenn mehr als zehn Kinder im Alter von acht bis zwölf in der
Halle sind, ist es alles andere als einfach, sie unter Kontrolle zu halten. Da
herrscht manchmal ein ganz schönes Chaos und nicht selten kommt es vor, dass
alle durcheinander schreien, lachen und die Turnübungen eher an zweiter Stelle
stehen. Aber immerhin steht bei dem Turnunterricht hier, anders als ich es aus
meinem Verein in Deutschland gewohnt bin, der Spaß im Vordergrund und von da
aus sehe ich das mittlerweile gelassener. Hauptsache, die Kinder verlassen die
Turnhalle mit einem Strahlen im Gesicht!
Turnunterricht in Órganos
Montags, Mittwochs und Freitags
bieten wir im Centro deportivo cultural
jeweils von 8:00-10:00 morgens gratis Turnunterricht an. Allerdings kommen hier
meistens nur ein bis vier Kinder im Alter von 13 bis 15, weil der Großteil von
ihnen morgens Schule hat.
Am Anfang war ich sehr
überrascht, dass es überhaupt Kinder gibt, die statt wie in Deutschland üblich,
am Nachmittag, meist von 13:00 bis 19:00 Unterricht haben. Dies ist unter
anderem bei der Secundaria (7.-11.
Klasse) an zwei Privatschulen der Fall, da in denselben Räumlichkeiten am
Morgen die Primaria (1.-6. Klasse)
vormittags Unterricht hat. Auf eine dieser beiden Schulen geht auch ein
Großteil unserer derzeitigen Turnschüler des morgendlichen Gratisunterrichts.
Eine Zeit lang kamen zudem viele Schüler von einer anderen Privatschule, weil
diese an einer Art Turnshow-Wettbewerb teilnehmen wollten. Da war im Club ganz
schön was los und auf unseren acht Matten drängten sich während des
Erwärmungsprogrammes bis zu 15 Kinder!
Im Moment ist es jedoch leider,
wie bereits erwähnt, morgens ziemlich leer im Club und einige Male kam es sogar
schon vor, dass gar keine Kinder gekommen sind. Das Problem ist, dass die
älteren Kinder häufig die Lust am Turnen verlieren und nur noch unregelmäßig
oder gar nicht mehr zum Training erscheinen, da sie abends lieber etwas mit
ihren Freunden unternehmen und dann morgens ausschlafen wollen. Von den
jüngeren Kindern in den Schulen fragen mich ständig welche, wann denn der
Turnunterricht stattfindet. Man sieht ihnen an, dass sie gerne kommen würden,
doch stets lautet die nächste Frage, wie viel denn die Turnstunden kosten.
Daraufhin muss ich dann leider antworten, dass nur der Unterricht morgens
gratis ist und dass die Kosten für die Stunde am Nachmittag 50 Soles (ca. 13
Euro) monatlich betragen. Man sieht den Kindern die Enttäuschung darüber
deutlich an, weil sie wissen, dass ihre Eltern dieses Geld nicht aufbringen
können. Letztendlich ist noch nie eines der Schulkinder bei den Turnstunden
erschienen, obwohl ich des Öfteren auch günstigere Monatsbeiträge bzw. gar
keine in Aussicht gestellt habe. Es gibt einige Ausnahmen (ein Mädchen bezahlt
gar nichts und ein Junge, der einige Male gekommen ist, schenkte der Familie
von dem Turntrainer im Gegenzug von seinem Vater gefangene Fische), aber
insgesamt ist es leider so, dass eigentlich alle Schüler, auch die die morgens
an den Gratisstunden teilnehmen, aus reicheren Familien stammen.
Die zuvor erwähnten Turnstunden
am Nachmittag finden immer dienstags und donnerstags von 15:00-18:00 statt und
sind in drei Altersstufen unterteilt: Zunächst eine Stunde die vier bis siebenjährigen,
dann die zwei- bzw. dreijährigen und zu guter Letzt die älteren Schüler, derzeit
im Alter von acht bis 24. Zusätzlich gebe ich samstags von 11:00-12:00 eine
Stunde zusätzlich Unterricht für alle diejenigen, die gerne ein drittes Mal die
Woche kommen wollen. An allen Tagen variiert auch hier die Anzahl der
Turnschüler sehr stark, was jedoch nach Aussage des Turntrainers schon immer so
war. Manchmal ist, besonders während der Stunde für die Kleinkinder, ordentlich
was los und es gibt viel zu tun. An anderen Tagen ist es hingegen fast leer.
Impressionen von den
drei verschiedenen Gruppen in Órganos
Um dieses Problem der praktisch
leeren Turnhalle wenigstens morgens zu lösen, sind wir im Moment dabei,
verstärkt mit einer staatlichen Schule zu kooperieren und zu diesen
Trainingszeiten jeweils für eine Stunde eine Schulklasse in den Club zu holen
oder auf dem schuleigenen Sportplatz mit ihnen zu arbeiten. Bereits jetzt geben
wir dreimal die Woche jeweils eine Stunde Sportunterricht für eine Klasse
dieser Schule.
Manchmal geben wir auf dem schuleigenen
Sportplatz Unterricht
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…an anderen Tagen bringen wir eine Schulklasse mit
in den Club
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Außerdem haben wir sowohl für den
Gratisunterricht morgens, als auch für die Stunden nachmittags, fleißig Werbung
gemacht (wir haben unter anderem zahlreiche Flyer verteilt, sind zu dem lokalen
Radiosender gegangen und ich habe ein Video für den örtlichen Fernsehkanal
geschnitten). Insgesamt war die Aktion jedoch eher mäßig erfolgreich und es
sind kaum neue Kinder gekommen. Die meisten Schüler, die sich neu anmelden
kommen, weil ihre Freunde oder deren Eltern die Turnstunden weiterempfehlen.
Turnunterricht in Mancora
Begrüßung zu Beginn der Stunde
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In Mancora bieten wir jeweils montags, mittwochs und freitags von
16:00-17:00, sowie von 17:00-18:30 Turnunterricht an. Hier ist es, was die
Anzahl der Turnschüler angeht, genau anders herum als in Órganos: Nachdem anfangs
einige Wochen lang zu der ersten Trainingszeit, welche für Kinder im Alter von
zwei bis sieben bestimmt ist, manchmal kein einziges Kind erschienen ist, sind
es mittlerweile immerhin schon acht und es werden immer mehr. Auch in der
Gruppe für die älteren Kinder sind mittlerweile zwölf Mädchen und Jungen
eingeschrieben.
Mir macht die Arbeit in Mancora
besonders viel Spaß, da fast immer mindestens sieben bis acht Schüler anwesend
sind und man ihnen den Spaß am Turnen einfach ansieht. Hier können wir auch
verstärkt richtige Turnelemente trainieren, da viele der Kinder bereits früher
im Club geturnt haben. Allerdings ist es auch hier so, dass eigentlich alle
Eltern der Turnschüler Hotels o.ä. besitzen und die Kinder aus ärmeren Familien
nicht profitieren. Das finde ich sehr schade, aber natürlich müssen wir Geld
einnehmen, damit wir den Club erhalten können.
Ohne einen externen Geldgeber,
ist es einfach nicht möglich, mehr Gratisunterricht zu geben. Ich finde es
jetzt schon bewundernswert, dass Miguel den Club alleine weiterführt und auch
den kostenlosen Unterricht nicht aufgegeben hat, obwohl er anderswo in kürzerer
Zeit mehr Geld verdienen könnte. Denn er und seine Familie leben selbst in sehr
einfachen Verhältnissen. Eine Chance sehen wir in dem Bürgermeisterwechsel in
Órganos im Januar, da wir von der Stadtverwaltung wirklich Unterstützung
gebrauchen könnten. Ich hoffe, dass wir dann etwas finanzielle Hilfe erhalten
werden, um mehr Gratisunterricht geben zu können bzw. eventuell die Preise für
den Turnunterricht zu senken.
Englischunterricht
Mittlerweile gebe ich an zwei
verschiedenen staatlichen Schulen in insgesamt sieben Klassen jeweils einmal
die Woche 45 bzw. 60 Minuten Englischunterricht. An der einen Schule gebe habe
ich drei fünfte und zwei sechste Klassen, die ich alle von meiner Vorfreiwilligen
übernommen habe. An der anderen Schule haben zwei Lehrerinnen beim Club Zeus
angefragt, ob ich ihren Schülern nicht auch Englischunterricht geben könnte.
Während der ersten Wochen hatte
ich teilweise noch ganz schöne Probleme mit der Sprache und des Weiteren bin
ich mit etwas falschen Vorstellungen in den Unterricht gestartet. Anfangs hatte
ich den Anspruch, dass die Kinder wirklich Englisch lernen, damit sie es später
mal irgendwann anwenden können. Ich habe mich sogar gefragt, ob ich, wie ich es
von meinen Englischlehrern in Deutschland gewohnt war, während der gesamten
Stunde auf Englisch reden sollte. In der Schule angekommen wurde ich jedoch gleich
in der ersten Stunde auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht.
Die Mehrheit der Kinder hat bereits
Probleme damit, „My name is …“ zu sagen, ich muss Kopien selbst bezahlen und
häufig sind die Stunden kürzer als geplant, weil die Pausenglocke immer zu
anderen Zeiten läutet. Ein weiteres Problem ist der Lärm. Selbst wenn es in der
Klasse leise ist, herrscht draußen auf dem Pausenhof eigentlich immer Lärm und
da die Tür stets offen steht und die Fenster zudem keine Scheiben besitzen, ist
der Geräuschpegel teilweise enorm. Wenn dann auch noch der Lehrer/ die Lehrerin
den Klassenraum verlässt, ist es manchmal ganz schön anstrengend, wenigstens
einigermaßen für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Allein die Anwesenheit des
Klassenlehrers sorgt schon dafür, dass sich die Kinder deutlich besser
verhalten. Ein paar Mal, als ich alleine war und es unruhig wurde, haben mir
die Kinder auch ein großes Lineal in die Hand gedrückt, was die Lehrer manchmal
einsetzen, um den Schülern auf die Finger zu schlagen. Ich war davon jedoch
etwas geschockt und habe natürlich abgelehnt.
Eine weitere Schwierigkeit ist
das sehr unterschiedliche Lernvermögen der Kinder: Während einige nur wenige
Minuten brauchen, um Vokabeln fehlerfrei von der Tafel abzuschreiben, sind
andere nach einer halben Stunde immer noch nicht fertig und machen auch sehr
viele Fehler. Da die Kinder verständlicherweise anfangen, sich zu langweilen
während sie auf ihre langsameren Klassenkameraden warten, versuche ich
mittlerweile immer noch eine Extraaufgabe für diejenigen, die schon fertig
sind, mitzubringen. Das funktioniert meistens sehr gut. Einige Male habe ich
den Kindern auch eine kleine Aufgabe für zuhause aufgegeben, mit sehr
unterschiedlichem Erfolg: In einer Klasse haben kürzlich mit Ausnahme von zwei
Schülern alle ihre Hausaufgaben gemacht. Davon war ich echt begeistert, da in
den anderen Klassen meistens nur etwa ein Drittel die Aufgaben bearbeitet. Auch
während des Unterrichtes gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen
Klassen. Ich weiß nicht, ob das an den Klassenlehrern oder an den Kindern
liegt, aber in einigen Klassen komme ich deutlich besser voran, als in anderen.
Zudem ist es natürlich hilfreich, wenn es nicht allzu viele Kinder sind.
Während ich an der einen Schule zwei Klassen mit weniger als 20 Kindern habe,
sind es an der anderen teilweise über 30.
Da ich mittlerweile meine Erfahrungen gemacht habe, aus Fehlern
gelernt habe und meine eigenen Ansprüche ein bisschen zurückgeschraubt habe,
klappt es mit dem Englischunterricht von Woche zu Woche besser. Zunächst habe
ich mit allen Lehrern gesprochen und sie gebeten, doch bitte wenn möglich im
Klassenraum zu bleiben, während ich unterrichte. Wenn sie dennoch einmal nicht
da sind, singe ich viele Lieder mit den Kindern und versuche, keine chaotischen
Spiele zu spielen oder schwierigere Aufgaben zu machen, die ich groß erklären
müsste. Das funktioniert sehr gut, da die Kinder es lieben, zu singen und auch
wenn sie nur der Musik zuhören, so sind sie wenigstens beschäftigt, haben Spaß
und stören nicht den Unterricht.
Auch aufgrund von zahlreichen Schulfeiern und Sportveranstaltungen
fällt viel Unterricht aus
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Insgesamt macht mir der Englischunterricht super viel Spaß und sowohl
die Lehrer, als besonders auch die Schüler freuen sich immer total wenn ich
komme. Die Kinder überhäufen mich mit Umarmungen und Küsschen, fragen mich unzählige
Vokabeln auf Englisch und stellen viele Fragen zu meiner Familie und meinem
Leben in Deutschland. Die Kinder sind sehr herzlich und ich freue mich jede
Woche, sie zu sehen. Auch die Lehrer sind super freundlich und wenn ich während
der Pause nicht bei den Kindern bin, unterhalten wir uns viel.
Insgesamt bin ich trotz dieser
positiven Erfahrungen jedoch etwas geschockt von den Zuständen der staatlichen
Schulen hier. Man erzählte mir, dass der Staat weniger Kontrolle über die
Schulen in den Provinzen habe, als über die in größeren Städten und dass die
Situation daher hier schlechter sei, als in anderen Teilen Perus. Das kann ich
natürlich nicht beurteilen, aber ich finde es beispielsweise erschreckend, wie
viel Unterricht ausfällt. Da die Klassenlehrer/innen der Primaria ihre Schüler
in allen Fächern unterrichten, findet wenn die Lehrkraft oder ein
Familienmitglied krank ist oder sie für ein paar Tage vereist, der gesamte
Unterricht aus. Vertretungen gibt es so weit ich weiß kaum. Und in Deutschland
beschweren sich gleich ein Dutzend Eltern, wenn einmal zwei Stunden
Mathematikunterricht ausfallen!
Einmal kam ich in die Schule und
ungefähr die Hälfte der Kinder lief lärmend auf dem Schulhof herum oder tobte
in den Klassenräumen umher. Es stellte sich heraus, dass die Direktorin nicht
da war und anscheinend viele der Lehrer/innen auf den Markt o.ä. gegangen
waren. Erstaunlicherweise habe ich bei all dem Durcheinander jedoch noch nie
erlebt, dass sich ein Kind ernsthaft wehgetan hat oder dass es eine richtige
Prügelei gab.
Mein Alltag und mehr
Anfangs wohnte ich für fünf
Wochen bei dem Turntrainer und seiner Familie, was jedoch aus verschiedenen
Gründen für alle Beteiligten nicht besonders gut funktioniert hat. Daher lebe
ich nun bei einer anderen Familie, in der ich eine14-jährige Gastschwester und
einen 16-jährigen Gastbruder habe. Sie haben mich sehr lieb aufgenommen und
besonders mit meiner Gastmutter und meiner Gastschwester verbringe ich viel
Zeit. Ich genieße das Leben in der Familie sehr und vor allem wenn noch die
Schwester meiner Gastmutter mit ihrem Mann und ihren vier Kindern vorbeikommt,
ist immer ordentlich was los und es wird nie langweilig!
Mit der Zeit lerne ich natürlich
immer mehr Leute kennen und wenn ich jetzt einmal alleine im Dorf unterwegs
bin, dauert es nicht lange, bis ich jemanden treffe, den ich kenne. Mal gehe
ich mit einigen Lehrerinnen nach Schulschluss Mittag essen, an anderen Tagen
bin ich auf einem Geburtstag eingeladen oder erkunde die Gegend mit Freunden.
Wenn ich mal wirklich nichts zu tun habe (was im Moment eigentlich nie
vorkommt), so brauche ich nur an den Strand zu gehen, da lernt man wie von
selbst Leute kennen. Folglich fühle ich mich eigentlich nie einsam und genieße
meinen Alltag hier in vollen Zügen.
Eigentlich alle Menschen, die ich
bisher kennen gelernt habe sind mir offen, herzlich und hilfsbereit begegnet.
Eine Lehrerin der einen Schule in der ich Englischunterricht gebe, deren Klasse
ich jedoch noch nicht einmal im Unterricht habe, stellte mir sofort
Arbeitsmaterial zur Verfügung, lud mich zu sich nachhause ein und stellte mich
ihren Freunden vor. Eine ihrer Freundinnen lud mich dann spontan zu der
Geburtstagsfeier ihrer Tochter ein und genauso ergibt sich eigentlich immer
etwas. Von den Leuten in meinem Alter, die ich bisher kennengelernt habe, waren
jedoch viele nur auf der Durchreise bzw. für einen begrenzten Zeitraum hier. Trotzdem
habe ich mittlerweile Freunde gefunden, die auch gerne etwas von der Gegend
hier sehen möchten und mit denen ich viel gemeinsam habe. Das macht mich sehr
glücklich und sorgt dafür, dass ich meine Freunde in Deutschland und meine
Familie nicht ganz so sehr vermisse. Dafür habe ich im Moment einfach zu viel
vor!

Mittlerweile fühlt sich Los Órganos schon fast wie mein zuhause an
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In Los Órganos habe ich das große Glück, dass ich selbst nachts
alleine herumlaufen kann, ohne
dass etwas passiert. Die Menschen betonen immer, wie ruhig Órganos
doch sei und tatsächlich habe ich mich bisher noch nie wirklich unsicher
gefühlt. Im Nachbarort Mancora muss man, so wurde mir erzählt, etwas mehr
aufpassen, da Mancora sehr touristisch geprägt ist und Drogenkonsum, sowie
Taschendiebe ein Problem darstellen. Was mir jedoch ein bisschen Sorgen
bereitet, ist der Straßenverkehr. Hier muss ich sagen, dass sich meine
Vorurteile aus Deutschland etwas bestätigt haben: Anschnallgurte gibt es eigentlich
nicht und besonders in einem Mototaxi auf der Panamericana zwischen all den
waghalsig überholenden Autos, Bussen und LKWs fühle ich mich nicht immer
besonders wohl. Allerdings habe ich mich mittlerweile schon echt daran gewöhnt.
Ich glaube, wenn ich wieder in Deutschland bin, werde ich am Anfang regelmäßig
vergessen, mich anzuschnallen!
Krasse Gegensätze und die Schattenseiten Perus
Auf den ersten Blick mag die
Gegend hier wie ein Paradies wirken: Der Strand ist wunderschön, die Sonne
scheint eigentlich immer und zahlreiche (gut bewässerte!) Palmen runden das
Bild ab. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich die ständige Nähe
des Strandes und das Ambiente an den Strandpromenaden nicht genießen würde.
Mein täglicher Weg zur
Arbeit
Sobald man jedoch in die weniger
touristisch geprägten Teile von Órganos oder Mancora geht, beginnt dieses
Paradies zu bröckeln. Während an den Stränden fast ausschließlich Hotels,
Villen und Wochenendhäuser reicher Familien aus Lima vorzufinden sind, sind
andere Ortsteile von aneinandergedrängten Wellblechhütten häufig ohne jegliche
Infrastruktur geprägt. Während die einen mit ihren teuren Geländewaagen und
professioneller Surfausrüstung auf dem Weg an den Strand sind, arbeiten andere sehr
hart (so habe ich beispielsweise einen über 50-jährigen Mann kennengelernt, der
Tag ein Tag aus mit einem umgebauten Fahrrad Wasserkanister ausfährt, um diese
gegen wenige Soles in die Häuser der Menschen ohne fließend Wasser zu
schleppen) und vor allem viel und haben trotzdem kaum genug zum leben. Während
die einen für bekannte Surfermarken wie Billabong
oder Roxy modeln, halten sich andere
mit dem Verkauf von Sonnenbrillen, Eis oder sogar Toilettenpapier auf der
Straße über Wasser. Zwar gibt es auch eine Mittelschicht, beispielsweise die
Familien von Lehrerinnen, die ich kennengelernt habe, aber die erschreckenden
Gegensätze sind einfach unübersehbar.

Gegensätze wie diese
bestimmen das tägliche Bild hier
Ein weiteres Problem stellt das
Wasser da. Los Órganos liegt mitten in der Wüste. Etwas östlich von Mancora,
also weiter in den Bergen des Landesinneren gibt es Wasserquellen, von denen
aus das Wasser zunächst nach Mancora, dann nach Vichayito (dem Wohnort zwischen
Mancora und Órganos) und schließlich nach Órganos gepumpt wird. Wenn besonders
im Sommer viele Touristen in den Norden Perus reisen und die zahlreichen Hotels
ihre Tanks für den Wasserbedarf ihrer Gäste und die Swimmingpools füllen,
bleibt für die Dorfbewohner in Órganos häufig nichts übrig. Diese müssen dann,
wenn sie es sich leisten können, für viel Geld anderweitig Wasser kaufen.
Derzeit fließt bei den meisten Dorfbewohnern in Órganos seit etwa einem Monat
durch die Leitungen, da anscheinend eine der Wasserpumpanlagen kaputt ist. Hier
habe ich fließend Wasser, auch wenn es nur kalt ist, als großen Luxus zu
schätzen gelernt. Ich hoffe, dass mir das auch bewusst bleibt, wenn ich wieder
zurück in Deutschland bin.