Sonntag, 30. November 2014

1. Quartalsbericht

Ich kann nicht wirklich glauben, dass es schon mehr als drei Monate her ist, dass ich Deutschland verlassen habe. Die Zeit vergeht im Moment wie im Flug und jetzt steht schon Weihnachten vor der Tür. Wie dem auch sei, hier findet ihr meinen 1. Quartalsbericht über meine Arbeit und meinen Alltag hier in Peru. Einiges dürfte euch aus früheren Posts bekannt vorkommen und auch das ein oder andere Bild habe ich bereits hier gepostet, aber ich hoffe, dass euch der Bericht trotzdem nochmal einen besseren Eindruck von dem Leben hier in Peru gibt!




Svenja Hansen
Welthaus Bielefeld
Weltwärts-Jahrgang 2014/15
Club Zeus Olympic, Peru                                                                                        16.11.2014

1.    Quartalsbericht

Nun ist es also schon Zeit für den 1. Quartalsbericht. Nachdem ich während der ersten Wochen einige Schwierigkeiten hatte, mich einzuleben, was unter anderem daran lag, dass es mit meiner damaligen Gastfamilie nicht ganz rund lief, vergeht die Zeit mittlerweile wie im Flug. Insgesamt macht mir meine Arbeit sehr viel Spaß und die Kinder sind super lieb und besonders in den Schulen werde ich stets mit Umarmungen und Küsschen von allen Seiten begrüßt und verabschiedet. Da ich nicht nur Turn-, sondern auch Englischunterricht gebe und meine Erfahrungen und Eindrücke sich teilweise doch sehr unterscheiden, werde ich im Folgenden einzeln auf meine verschiedenen Einsatzbereiche eingehen.

Die Kinder, sowohl in er Schule, als auch im Turnclub, sind mir bereits sehr ans Herz gewachsen!

Die Geschichte des Club Zeus Olympic und Allgemeines zum Turnunterricht
Meine Hauptaufgabe während des weltwärts-Freiwilligendienstes in Peru ist die Mitarbeit im Club Zeus Olympic. Im Jahr 2010 stellte meine Gastmutter einen Turntrainer aus Lima ein, damit er ihren Kindern im Garten ihres Hauses Turnunterricht gibt. Sie kaufte nach und nach mehr Turngeräte und es kamen auch immer mehr andere Kinder, da es weit und breit die einzige Möglichkeit war, zu turnen. 

Der Club in Los Órganos

Zwei Jahre später stellte die Stadtverwaltung dem Club einen Pavillon an der Strandpromenade in Los Órganos zur Verfügung. Dieser wurde renoviert und trägt heute den Namen Centro deportivo cultural. Abgesehen von Turnunterricht beinhaltete das Angebot des Clubs auch Ballett- und Marineraunterricht (Marinera ist ein für den Norden Perus typischer Paartanz). Finanziell gesehen war der Club abhängig von seiner Gründerin, die die Trainer bezahlte und auch die Monatsbeiträge für Kinder aus ärmeren Familien übernahm.
Da dies natürlich eine große finanzielle, aber auch zeitliche Belastung für sie darstellte und ihre Kinder mittlerweile den Spaß am Turnen verloren hatten, übergab sie den Club zum vergangenen Jahreswechsel an den Turntrainer Miguel, also an meinen Chef. Für ihn war die Situation zunächst sehr schwierig, da sein sicheres Gehalt wegfiel und er sich anderweitig Arbeit suchen musste, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern. Daher war es unumgänglich, die Gratisturnstunden, besonders die in den staatlichen Schulen, deutlich zu reduzieren. 

Die Räumlichkeiten in Mancora

Anfangs brachten diese Umstellungen den Club in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Vor einigen Monaten bekam Miguel jedoch zunächst kostenlos, seit September müssen wir monatlich eine Miete von 250 Soles (ca.68 Euro) bezahlen, einen Raum im zweiten Stock einer Hotelanlage im Nachbarort Mancora zur Verfügung gestellt. Die Einnahmen durch die zusätzlichen Turnstunden helfen heute, den Club zu erhalten und sogar einige neue Turngeräte oder Matten zu kaufen.

Der Außenbereich des Pavillons in Órganos

Vor dem Turnunterricht treffen wir uns stets etwa eine halbe Stunde vorher, um zu fegen und die Geräte aufzubauen. Danach erwärmen sich die Kinder (Laufen, Hüpfen etc.), es wird sich gedehnt und manchmal machen wir auch einige Kraftübungen. Um das Erwärmungsprogramm unterhaltsam zu gestalten, bauen wir häufig kleine Spiele, Wettrennen oder ähnliches ein. Außerdem habe ich aus Deutschland einen großen Schaumstoffwürfel mitgebracht, der bei den Kindern super angekommen ist und mit dem wir häufig die Anzahl von Liegestützen, Sit-Ups usw. bestimmen. Dann machen diese „lästigen“ Übungen den Kindern gleich viel mehr Spaß! Im Anschluss daran geht es an die Geräte. Abhängig von der jeweiligen Turnhalle in Órganos bzw. in Mancora stehen uns unter anderem ein Balken, ein Stufenbarren (den wir noch aufbauen müssen), ein Trampolin, Ringe, Sprungbretter, Bänke, verschiedene Matten, sowie einige improvisierte Hilfsmittel wie beispielsweise angemalte Autoreifen oder alte Schiffstaue zur Verfügung.
Normalerweise gestalten Miguel und ich den Unterricht gemeinsam: Manchmal teilen wir die Kinder in zwei Gruppen auf, an anderen Tagen bauen wir eine Art Zirkel auf, in dem die Kinder an verschiedenen Stationen Übungen für ein bestimmtes Element trainieren und wir beide jeweils einen Teil kontrollieren. Besonders bei den Kleinkindern hilft auch die Frau von Miguel häufig mit. Außerdem übernimmt sie die Buchführung des Clubs, wobei ich sie bei Bedarf unterstütze.
Von Beginn an konnte ich dank meiner Vorkenntnisse (in Deutschland habe ich neun Jahre geturnt und auch selbst Unterricht gegeben) gleich Verantwortung übernehmen. So gestalte ich mal größere, mal kleinere Teile der Turnstunde eigenständig. Des Weiteren gebe ich die Stunde am Samstag komplett alleine (meistens ist die Frau des Turntrainers jedoch in der Nähe). Am Anfang war das nicht immer leicht, weil ich die Namen der ganzen Elemente und Haltungskorrekturen nicht kannte. Außerdem fiel mir besonders das Erklären von Spielen oder bestimmten Übungen schwer, was hin und wieder für etwas Verwirrung bei den Kindern sorgte. Mittlerweile ist es allerdings bereits viel besser geworden und ich habe den Kindern schon viele Übungen und Spiele beigebracht, die ich von meinem eigenen Training in Deutschland kenne.

Krafttraining

An einigen Tagen, so war Miguel beispielsweise eine Woche lang krank, bin ich nur mit Kati in der Halle und gebe den Unterricht komplett alleine. Mir gefällt es, die Stunde selbstständig zu planen und so zu gestalten, wie ich möchte. Aber wenn Miguel nicht da ist, sind die Kinder noch lebhafter als sonst und besonders wenn mehr als zehn Kinder im Alter von acht bis zwölf in der Halle sind, ist es alles andere als einfach, sie unter Kontrolle zu halten. Da herrscht manchmal ein ganz schönes Chaos und nicht selten kommt es vor, dass alle durcheinander schreien, lachen und die Turnübungen eher an zweiter Stelle stehen. Aber immerhin steht bei dem Turnunterricht hier, anders als ich es aus meinem Verein in Deutschland gewohnt bin, der Spaß im Vordergrund und von da aus sehe ich das mittlerweile gelassener. Hauptsache, die Kinder verlassen die Turnhalle mit einem Strahlen im Gesicht!

Turnunterricht in Órganos
Montags, Mittwochs und Freitags bieten wir im Centro deportivo cultural jeweils von 8:00-10:00 morgens gratis Turnunterricht an. Allerdings kommen hier meistens nur ein bis vier Kinder im Alter von 13 bis 15, weil der Großteil von ihnen morgens Schule hat.
Am Anfang war ich sehr überrascht, dass es überhaupt Kinder gibt, die statt wie in Deutschland üblich, am Nachmittag, meist von 13:00 bis 19:00 Unterricht haben. Dies ist unter anderem bei der Secundaria (7.-11. Klasse) an zwei Privatschulen der Fall, da in denselben Räumlichkeiten am Morgen die Primaria (1.-6. Klasse) vormittags Unterricht hat. Auf eine dieser beiden Schulen geht auch ein Großteil unserer derzeitigen Turnschüler des morgendlichen Gratisunterrichts. Eine Zeit lang kamen zudem viele Schüler von einer anderen Privatschule, weil diese an einer Art Turnshow-Wettbewerb teilnehmen wollten. Da war im Club ganz schön was los und auf unseren acht Matten drängten sich während des Erwärmungsprogrammes bis zu 15 Kinder!
Im Moment ist es jedoch leider, wie bereits erwähnt, morgens ziemlich leer im Club und einige Male kam es sogar schon vor, dass gar keine Kinder gekommen sind. Das Problem ist, dass die älteren Kinder häufig die Lust am Turnen verlieren und nur noch unregelmäßig oder gar nicht mehr zum Training erscheinen, da sie abends lieber etwas mit ihren Freunden unternehmen und dann morgens ausschlafen wollen. Von den jüngeren Kindern in den Schulen fragen mich ständig welche, wann denn der Turnunterricht stattfindet. Man sieht ihnen an, dass sie gerne kommen würden, doch stets lautet die nächste Frage, wie viel denn die Turnstunden kosten. Daraufhin muss ich dann leider antworten, dass nur der Unterricht morgens gratis ist und dass die Kosten für die Stunde am Nachmittag 50 Soles (ca. 13 Euro) monatlich betragen. Man sieht den Kindern die Enttäuschung darüber deutlich an, weil sie wissen, dass ihre Eltern dieses Geld nicht aufbringen können. Letztendlich ist noch nie eines der Schulkinder bei den Turnstunden erschienen, obwohl ich des Öfteren auch günstigere Monatsbeiträge bzw. gar keine in Aussicht gestellt habe. Es gibt einige Ausnahmen (ein Mädchen bezahlt gar nichts und ein Junge, der einige Male gekommen ist, schenkte der Familie von dem Turntrainer im Gegenzug von seinem Vater gefangene Fische), aber insgesamt ist es leider so, dass eigentlich alle Schüler, auch die die morgens an den Gratisstunden teilnehmen, aus reicheren Familien stammen.
Die zuvor erwähnten Turnstunden am Nachmittag finden immer dienstags und donnerstags von 15:00-18:00 statt und sind in drei Altersstufen unterteilt: Zunächst eine Stunde die vier bis siebenjährigen, dann die zwei- bzw. dreijährigen und zu guter Letzt die älteren Schüler, derzeit im Alter von acht bis 24. Zusätzlich gebe ich samstags von 11:00-12:00 eine Stunde zusätzlich Unterricht für alle diejenigen, die gerne ein drittes Mal die Woche kommen wollen. An allen Tagen variiert auch hier die Anzahl der Turnschüler sehr stark, was jedoch nach Aussage des Turntrainers schon immer so war. Manchmal ist, besonders während der Stunde für die Kleinkinder, ordentlich was los und es gibt viel zu tun. An anderen Tagen ist es hingegen fast leer. 

Impressionen von den drei verschiedenen Gruppen in Órganos

Um dieses Problem der praktisch leeren Turnhalle wenigstens morgens zu lösen, sind wir im Moment dabei, verstärkt mit einer staatlichen Schule zu kooperieren und zu diesen Trainingszeiten jeweils für eine Stunde eine Schulklasse in den Club zu holen oder auf dem schuleigenen Sportplatz mit ihnen zu arbeiten. Bereits jetzt geben wir dreimal die Woche jeweils eine Stunde Sportunterricht für eine Klasse dieser Schule. 


Manchmal geben wir auf dem schuleigenen
Sportplatz Unterricht

…an anderen Tagen bringen wir eine Schulklasse mit in den Club

Außerdem haben wir sowohl für den Gratisunterricht morgens, als auch für die Stunden nachmittags, fleißig Werbung gemacht (wir haben unter anderem zahlreiche Flyer verteilt, sind zu dem lokalen Radiosender gegangen und ich habe ein Video für den örtlichen Fernsehkanal geschnitten). Insgesamt war die Aktion jedoch eher mäßig erfolgreich und es sind kaum neue Kinder gekommen. Die meisten Schüler, die sich neu anmelden kommen, weil ihre Freunde oder deren Eltern die Turnstunden weiterempfehlen.

Turnunterricht in Mancora

Begrüßung zu Beginn der Stunde

In Mancora bieten wir jeweils montags, mittwochs und freitags von 16:00-17:00, sowie von 17:00-18:30 Turnunterricht an. Hier ist es, was die Anzahl der Turnschüler angeht, genau anders herum als in Órganos: Nachdem anfangs einige Wochen lang zu der ersten Trainingszeit, welche für Kinder im Alter von zwei bis sieben bestimmt ist, manchmal kein einziges Kind erschienen ist, sind es mittlerweile immerhin schon acht und es werden immer mehr. Auch in der Gruppe für die älteren Kinder sind mittlerweile zwölf Mädchen und Jungen eingeschrieben.

Mir macht die Arbeit in Mancora besonders viel Spaß, da fast immer mindestens sieben bis acht Schüler anwesend sind und man ihnen den Spaß am Turnen einfach ansieht. Hier können wir auch verstärkt richtige Turnelemente trainieren, da viele der Kinder bereits früher im Club geturnt haben. Allerdings ist es auch hier so, dass eigentlich alle Eltern der Turnschüler Hotels o.ä. besitzen und die Kinder aus ärmeren Familien nicht profitieren. Das finde ich sehr schade, aber natürlich müssen wir Geld einnehmen, damit wir den Club erhalten können.
Ohne einen externen Geldgeber, ist es einfach nicht möglich, mehr Gratisunterricht zu geben. Ich finde es jetzt schon bewundernswert, dass Miguel den Club alleine weiterführt und auch den kostenlosen Unterricht nicht aufgegeben hat, obwohl er anderswo in kürzerer Zeit mehr Geld verdienen könnte. Denn er und seine Familie leben selbst in sehr einfachen Verhältnissen. Eine Chance sehen wir in dem Bürgermeisterwechsel in Órganos im Januar, da wir von der Stadtverwaltung wirklich Unterstützung gebrauchen könnten. Ich hoffe, dass wir dann etwas finanzielle Hilfe erhalten werden, um mehr Gratisunterricht geben zu können bzw. eventuell die Preise für den Turnunterricht zu senken.

Englischunterricht
Mittlerweile gebe ich an zwei verschiedenen staatlichen Schulen in insgesamt sieben Klassen jeweils einmal die Woche 45 bzw. 60 Minuten Englischunterricht. An der einen Schule gebe habe ich drei fünfte und zwei sechste Klassen, die ich alle von meiner Vorfreiwilligen übernommen habe. An der anderen Schule haben zwei Lehrerinnen beim Club Zeus angefragt, ob ich ihren Schülern nicht auch Englischunterricht geben könnte.
Während der ersten Wochen hatte ich teilweise noch ganz schöne Probleme mit der Sprache und des Weiteren bin ich mit etwas falschen Vorstellungen in den Unterricht gestartet. Anfangs hatte ich den Anspruch, dass die Kinder wirklich Englisch lernen, damit sie es später mal irgendwann anwenden können. Ich habe mich sogar gefragt, ob ich, wie ich es von meinen Englischlehrern in Deutschland gewohnt war, während der gesamten Stunde auf Englisch reden sollte. In der Schule angekommen wurde ich jedoch gleich in der ersten Stunde auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht.
Die Mehrheit der Kinder hat bereits Probleme damit, „My name is …“ zu sagen, ich muss Kopien selbst bezahlen und häufig sind die Stunden kürzer als geplant, weil die Pausenglocke immer zu anderen Zeiten läutet. Ein weiteres Problem ist der Lärm. Selbst wenn es in der Klasse leise ist, herrscht draußen auf dem Pausenhof eigentlich immer Lärm und da die Tür stets offen steht und die Fenster zudem keine Scheiben besitzen, ist der Geräuschpegel teilweise enorm. Wenn dann auch noch der Lehrer/ die Lehrerin den Klassenraum verlässt, ist es manchmal ganz schön anstrengend, wenigstens einigermaßen für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Allein die Anwesenheit des Klassenlehrers sorgt schon dafür, dass sich die Kinder deutlich besser verhalten. Ein paar Mal, als ich alleine war und es unruhig wurde, haben mir die Kinder auch ein großes Lineal in die Hand gedrückt, was die Lehrer manchmal einsetzen, um den Schülern auf die Finger zu schlagen. Ich war davon jedoch etwas geschockt und habe natürlich abgelehnt.
Eine weitere Schwierigkeit ist das sehr unterschiedliche Lernvermögen der Kinder: Während einige nur wenige Minuten brauchen, um Vokabeln fehlerfrei von der Tafel abzuschreiben, sind andere nach einer halben Stunde immer noch nicht fertig und machen auch sehr viele Fehler. Da die Kinder verständlicherweise anfangen, sich zu langweilen während sie auf ihre langsameren Klassenkameraden warten, versuche ich mittlerweile immer noch eine Extraaufgabe für diejenigen, die schon fertig sind, mitzubringen. Das funktioniert meistens sehr gut. Einige Male habe ich den Kindern auch eine kleine Aufgabe für zuhause aufgegeben, mit sehr unterschiedlichem Erfolg: In einer Klasse haben kürzlich mit Ausnahme von zwei Schülern alle ihre Hausaufgaben gemacht. Davon war ich echt begeistert, da in den anderen Klassen meistens nur etwa ein Drittel die Aufgaben bearbeitet. Auch während des Unterrichtes gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen. Ich weiß nicht, ob das an den Klassenlehrern oder an den Kindern liegt, aber in einigen Klassen komme ich deutlich besser voran, als in anderen. Zudem ist es natürlich hilfreich, wenn es nicht allzu viele Kinder sind. Während ich an der einen Schule zwei Klassen mit weniger als 20 Kindern habe, sind es an der anderen teilweise über 30.
Da ich mittlerweile meine Erfahrungen gemacht habe, aus Fehlern gelernt habe und meine eigenen Ansprüche ein bisschen zurückgeschraubt habe, klappt es mit dem Englischunterricht von Woche zu Woche besser. Zunächst habe ich mit allen Lehrern gesprochen und sie gebeten, doch bitte wenn möglich im Klassenraum zu bleiben, während ich unterrichte. Wenn sie dennoch einmal nicht da sind, singe ich viele Lieder mit den Kindern und versuche, keine chaotischen Spiele zu spielen oder schwierigere Aufgaben zu machen, die ich groß erklären müsste. Das funktioniert sehr gut, da die Kinder es lieben, zu singen und auch wenn sie nur der Musik zuhören, so sind sie wenigstens beschäftigt, haben Spaß und stören nicht den Unterricht. 


Auch aufgrund von zahlreichen Schulfeiern und Sportveranstaltungen fällt viel Unterricht aus

Insgesamt macht mir der Englischunterricht super viel Spaß und sowohl die Lehrer, als besonders auch die Schüler freuen sich immer total wenn ich komme. Die Kinder überhäufen mich mit Umarmungen und Küsschen, fragen mich unzählige Vokabeln auf Englisch und stellen viele Fragen zu meiner Familie und meinem Leben in Deutschland. Die Kinder sind sehr herzlich und ich freue mich jede Woche, sie zu sehen. Auch die Lehrer sind super freundlich und wenn ich während der Pause nicht bei den Kindern bin, unterhalten wir uns viel.
Insgesamt bin ich trotz dieser positiven Erfahrungen jedoch etwas geschockt von den Zuständen der staatlichen Schulen hier. Man erzählte mir, dass der Staat weniger Kontrolle über die Schulen in den Provinzen habe, als über die in größeren Städten und dass die Situation daher hier schlechter sei, als in anderen Teilen Perus. Das kann ich natürlich nicht beurteilen, aber ich finde es beispielsweise erschreckend, wie viel Unterricht ausfällt. Da die Klassenlehrer/innen der Primaria ihre Schüler in allen Fächern unterrichten, findet wenn die Lehrkraft oder ein Familienmitglied krank ist oder sie für ein paar Tage vereist, der gesamte Unterricht aus. Vertretungen gibt es so weit ich weiß kaum. Und in Deutschland beschweren sich gleich ein Dutzend Eltern, wenn einmal zwei Stunden Mathematikunterricht ausfallen!
Einmal kam ich in die Schule und ungefähr die Hälfte der Kinder lief lärmend auf dem Schulhof herum oder tobte in den Klassenräumen umher. Es stellte sich heraus, dass die Direktorin nicht da war und anscheinend viele der Lehrer/innen auf den Markt o.ä. gegangen waren. Erstaunlicherweise habe ich bei all dem Durcheinander jedoch noch nie erlebt, dass sich ein Kind ernsthaft wehgetan hat oder dass es eine richtige Prügelei gab.

Mein Alltag und mehr
Anfangs wohnte ich für fünf Wochen bei dem Turntrainer und seiner Familie, was jedoch aus verschiedenen Gründen für alle Beteiligten nicht besonders gut funktioniert hat. Daher lebe ich nun bei einer anderen Familie, in der ich eine14-jährige Gastschwester und einen 16-jährigen Gastbruder habe. Sie haben mich sehr lieb aufgenommen und besonders mit meiner Gastmutter und meiner Gastschwester verbringe ich viel Zeit. Ich genieße das Leben in der Familie sehr und vor allem wenn noch die Schwester meiner Gastmutter mit ihrem Mann und ihren vier Kindern vorbeikommt, ist immer ordentlich was los und es wird nie langweilig!
Mit der Zeit lerne ich natürlich immer mehr Leute kennen und wenn ich jetzt einmal alleine im Dorf unterwegs bin, dauert es nicht lange, bis ich jemanden treffe, den ich kenne. Mal gehe ich mit einigen Lehrerinnen nach Schulschluss Mittag essen, an anderen Tagen bin ich auf einem Geburtstag eingeladen oder erkunde die Gegend mit Freunden. Wenn ich mal wirklich nichts zu tun habe (was im Moment eigentlich nie vorkommt), so brauche ich nur an den Strand zu gehen, da lernt man wie von selbst Leute kennen. Folglich fühle ich mich eigentlich nie einsam und genieße meinen Alltag hier in vollen Zügen.
Eigentlich alle Menschen, die ich bisher kennen gelernt habe sind mir offen, herzlich und hilfsbereit begegnet. Eine Lehrerin der einen Schule in der ich Englischunterricht gebe, deren Klasse ich jedoch noch nicht einmal im Unterricht habe, stellte mir sofort Arbeitsmaterial zur Verfügung, lud mich zu sich nachhause ein und stellte mich ihren Freunden vor. Eine ihrer Freundinnen lud mich dann spontan zu der Geburtstagsfeier ihrer Tochter ein und genauso ergibt sich eigentlich immer etwas. Von den Leuten in meinem Alter, die ich bisher kennengelernt habe, waren jedoch viele nur auf der Durchreise bzw. für einen begrenzten Zeitraum hier. Trotzdem habe ich mittlerweile Freunde gefunden, die auch gerne etwas von der Gegend hier sehen möchten und mit denen ich viel gemeinsam habe. Das macht mich sehr glücklich und sorgt dafür, dass ich meine Freunde in Deutschland und meine Familie nicht ganz so sehr vermisse. Dafür habe ich im Moment einfach zu viel vor!


Mittlerweile fühlt sich Los Órganos schon fast wie mein zuhause an

In Los Órganos habe ich das große Glück, dass ich selbst nachts alleine herumlaufen kann, ohne dass etwas passiert. Die Menschen betonen immer, wie ruhig Órganos doch sei und tatsächlich habe ich mich bisher noch nie wirklich unsicher gefühlt. Im Nachbarort Mancora muss man, so wurde mir erzählt, etwas mehr aufpassen, da Mancora sehr touristisch geprägt ist und Drogenkonsum, sowie Taschendiebe ein Problem darstellen. Was mir jedoch ein bisschen Sorgen bereitet, ist der Straßenverkehr. Hier muss ich sagen, dass sich meine Vorurteile aus Deutschland etwas bestätigt haben: Anschnallgurte gibt es eigentlich nicht und besonders in einem Mototaxi auf der Panamericana zwischen all den waghalsig überholenden Autos, Bussen und LKWs fühle ich mich nicht immer besonders wohl. Allerdings habe ich mich mittlerweile schon echt daran gewöhnt. Ich glaube, wenn ich wieder in Deutschland bin, werde ich am Anfang regelmäßig vergessen, mich anzuschnallen!

Krasse Gegensätze und die Schattenseiten Perus
Auf den ersten Blick mag die Gegend hier wie ein Paradies wirken: Der Strand ist wunderschön, die Sonne scheint eigentlich immer und zahlreiche (gut bewässerte!) Palmen runden das Bild ab. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich die ständige Nähe des Strandes und das Ambiente an den Strandpromenaden nicht genießen würde.
 


Mein täglicher Weg zur Arbeit

Sobald man jedoch in die weniger touristisch geprägten Teile von Órganos oder Mancora geht, beginnt dieses Paradies zu bröckeln. Während an den Stränden fast ausschließlich Hotels, Villen und Wochenendhäuser reicher Familien aus Lima vorzufinden sind, sind andere Ortsteile von aneinandergedrängten Wellblechhütten häufig ohne jegliche Infrastruktur geprägt. Während die einen mit ihren teuren Geländewaagen und professioneller Surfausrüstung auf dem Weg an den Strand sind, arbeiten andere sehr hart (so habe ich beispielsweise einen über 50-jährigen Mann kennengelernt, der Tag ein Tag aus mit einem umgebauten Fahrrad Wasserkanister ausfährt, um diese gegen wenige Soles in die Häuser der Menschen ohne fließend Wasser zu schleppen) und vor allem viel und haben trotzdem kaum genug zum leben. Während die einen für bekannte Surfermarken wie Billabong oder Roxy modeln, halten sich andere mit dem Verkauf von Sonnenbrillen, Eis oder sogar Toilettenpapier auf der Straße über Wasser. Zwar gibt es auch eine Mittelschicht, beispielsweise die Familien von Lehrerinnen, die ich kennengelernt habe, aber die erschreckenden Gegensätze sind einfach unübersehbar.

Gegensätze wie diese bestimmen das tägliche Bild hier

Ein weiteres Problem stellt das Wasser da. Los Órganos liegt mitten in der Wüste. Etwas östlich von Mancora, also weiter in den Bergen des Landesinneren gibt es Wasserquellen, von denen aus das Wasser zunächst nach Mancora, dann nach Vichayito (dem Wohnort zwischen Mancora und Órganos) und schließlich nach Órganos gepumpt wird. Wenn besonders im Sommer viele Touristen in den Norden Perus reisen und die zahlreichen Hotels ihre Tanks für den Wasserbedarf ihrer Gäste und die Swimmingpools füllen, bleibt für die Dorfbewohner in Órganos häufig nichts übrig. Diese müssen dann, wenn sie es sich leisten können, für viel Geld anderweitig Wasser kaufen. Derzeit fließt bei den meisten Dorfbewohnern in Órganos seit etwa einem Monat durch die Leitungen, da anscheinend eine der Wasserpumpanlagen kaputt ist. Hier habe ich fließend Wasser, auch wenn es nur kalt ist, als großen Luxus zu schätzen gelernt. Ich hoffe, dass mir das auch bewusst bleibt, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.





 

Samstag, 1. November 2014

Halloweenparty



Nach langem Planen, Vorbereiten und Werbung machen war es am Freitag nun also so weit: Der Tag der Halloweenparty im Club Zeus Olympic. Morgens trafen wir uns um 7:30 im Pavillon, um mit der Dekoration zu beginnen. Bis zum Beginn um fünf Uhr (mehr dazu später) waren wir praktisch durchgehend damit beschäftigt, die Fenster mit schwarzen Plastiktüten abzukleben, Unmengen von watteähnlichen und unangenehm klebrigen Spinnennetzen an der Decke und an den Wänden anzubringen, Halloweenbilder und –girlanden aufzuhängen, sowie unzählige Luftballons aufzublasen. 
Die fertig dekorierte Turnhalle


Da wir leider weniger Hilfe hatten als erwartet, wurde es am Ende ganz schön eng und als ich gerade dachte, dass jetzt alles fertig sei und es losgehen kann, wurde es erst richtig stressig: Um fünf Uhr, der eigentliche Beginn der Feier, stellte Miguel leider fest, dass das Kabel um den Laptop mit den Lautsprechern zu verbinden kaputt war und fuhr mit dem Mototaxi los, um ein neues zu besorgen. Kati, die am Eingang kassieren und Stempel verteilen wollte, fehlte leider auch immer noch, da sie mit dem Vorbereiten des Essens für den Verkauf beschäftigt war und die Animateure waren ebenfalls noch nicht in Sicht.

Kurz: Ich war ganz alleine im Club und vor der Tür sammelten sich immer mehr bunt verkleidete Kinder und Eltern, die zunehmend auch an der Tür drängelten. Dort stand ich dann und verkündete in mittlerweile nicht mehr ganz so brüchigem Spanisch und in regelmäßigen Abständen, dass die Feier „en un momentito“ beginnen würde. Mit einer halben Stunde Verspätung konnten wir dann aber zum Glück mit Musik und wenig später auch mit Tequeños, Flan (eine Mischung aus Pudding und Creme Brulée oder so), Gelantina (ähnlich wie Wackelpudding), Chicha (ein extrem süßes Getränk auf der Basis von dunkellilafarbenem Mais) und den von meiner Gastschwester und mir zubereiteten Muffins beginnen.

Meine Gastschwester und ich hatten bereits am Vorhabend Muffins gebacken
Die immer zahlreicher werdenen Kinder musste ich davon abhalten, vor Beginn der Feier den Pavillon zu betreten-keine leichte Aufgabe!



Weil unglücklicherweise zur gleichen Zeit in Mancora eine große Halloweenparty ebenfalls für Kinder stattfand, kamen trotz 1000(!!) verteilten Flyern weniger Kinder, als im vergangenen Jahr. Diejenigen, die gekommen waren, hatten jedoch eine Menge Spaß: Nach langem hin und her hatten wir drei Animateure gefunden, die mit den Kindern spielten, tanzten und dafür sorgten, dass es nicht langweilig wurde. Bei eigentlich allen Feiern, egal ob für jung oder alt, gibt es hier in Peru außerdem die sogenannte „hora loca“ (=verrückte Stunde), wo alle wild tanzen und Luftballons, Partyspray etc. für eine ausgelassene Stimmung sorgen. Gut angekommen ist auch ein Jongleur, der in sicherem Abstand draußen am Strand mit mehreren brennenden Keulen jonglierte, was jung und alt sehr beeindruckt hat. Das Highlight für die Kinder war jedoch eindeutig das Verteilen der zahlreichen Süßigkeiten. Was für ein Chaos! Der Bitte, dass sich doch alle Kinder bitte hinsetzen möchten, während die Süßigkeiten verteilt werden, kamen die wenigsten nach. Das führte dazu, dass die „Verteiler“ stets von einer drängelnden, lärmenden Kindertraube bedrängt wurden. Zum Glück hatten wir dank einiger Spenden, eigener Einkäufe und der Möglichkeit, statt des Eintritts von 3 Soles (ca. 75 Cent) eine Tüte mit Bonbons o.ä. mitzubringen, am Ende jedoch einen beachtlichen Berg von Süßigkeiten, um dem Andrang wenigstens ansatzweise gerecht zu werden.





Mit einigen Turnmädels

Hora loca




Die Verkündung der Preise für das beste Kostüm und weitere-zu gewinnen gab es unter anderem einen Motat Gratisturnunterricht und Surfunterricht

Meine Aufgabe war es, an einem separaten Tisch bestehend aus Turngeräten die oben aufgeführten Speisen und Getränke für 1 bzw. 2 Soles (25/50 Cent) zu verkaufen. Allerdings kam es öfter vor, dass Kinder kein Geld hatten, um sich etwas zu kaufen. Deshalb habe ich dann besonders am Ende öfter mal etwas unauffällig an Kinder, von denen ich wusste oder vermutete, dass bereits der Eintrittspreis eine nicht unerhebliche Summe war, verschenkt. Natürlich hätten wir lieber alles komplett gratis veranstaltet, damit auch wirklich jedes Kind kommen kan, doch da wir niemanden haben, der so eine Feier finanzieren oder zumindest unterstützen würde, mussten wir irgendwie unsere Kosten für Dekoration, Flyer und so weiter decken. Am Ende haben wir entgegen anfänglicher Bedenken nicht nur unsere Kosten decken können, sondern haben sogar ungefähr 170 Soles (46 Euro) eingenommen. Dieses Geld können wir nun entweder für ähnliche Veranstaltungen in der Zukunft oder dringend benötigte Turngeräte verwenden.

Mein Einsatzplatz-der Essensstand

Der Jongleur

Kati und ich


Insgesamt sind wir uns alle einig: Die Halloweenparty war ein voller Erfolg und es war schön zu sehen, wie viel Spaß die Kinder hatten. Denn eine solche Feier ist für die allermeisten ein ganz besonderes Ereignis, da es Veranstaltungen dieser Art in Órganos ansonsten eigentlich nicht gibt. Und all die strahlenden Kinderaugen sind sowieso die beste Belohnung für all die Stunden, die wir in die Ausrichtung dieser Feier investiert haben!

Der Morgen danach-doch nach weniger als zwei Stunden war alles wieder wie vorher